Jeder kennt es, hat zumindest schon mal davon gehört oder war vielleicht selbst bereits betroffen: Ghosting. Ein Phänomen, das seine Wurzeln vermutlich in unserer schnelllebigen Online-Kommunikation hat und vor allem von der Partner:innensuche im Internet bekannt ist. Nachdem man eine Weile geschrieben hat – vielleicht sogar schon telefoniert oder sogar ein (erstes) Date ausgemacht – und sich eigentlich höchst sympathisch ist, passiert es. Das Gegenüber meldet sich plötzlich gar nicht mehr, verschwindet wie ein Geist bei Sonnenaufgang und ward nie mehr gesehen.
Was beim Dating super nervig ist, traurig stimmen kann und im Grunde eigentlich einfach nur ziemlich respektlos ist, ist auch bei der Jobsuche absolut nicht gern gesehen, so viel kann ich aus meiner Erfahrung als Recruiter sagen. Gemeinsam mit meinen Kolleg:innen haben wir die fünf wichtigsten Gründe aufgelistet, warum es nicht okay ist, mitten im Bewerbungsverfahren einfach den Kontakt abzubrechen und sich gar nicht mehr zu melden. Auch wenn vielleicht kein Interesse mehr an der Stelle besteht oder man inzwischen ein anderes Angebot angenommen hat.
1. Respektvoller Umgang
Zwischenmenschliche Umgangsformen sollten nicht nur im privaten Bereich und beim Daten selbstverständlich sein. Auch (zukünftige) Arbeitgeber:innen verdienen es, dass man ihnen mit Anstand und Achtung begegnet. Kurzum, ein respektvoller Umgang wird von Seiten deiner potenziellen Kolleg:innen genauso erwartet, wie du es erwarten würdest. Auch ein:e professionelle:r Arbeitgeber:in wird nicht einfach so die Kommunikation beenden, ohne ein abschließendes – positives oder negatives – Feedback zu geben.
Darüber hinaus hinterlässt Ghosting einfach einen unprofessionellen oder sogar unreifen Eindruck. Man sollte auf jeden Fall immer den Mumm haben, klar zu kommunizieren, aus welchen Gründen man nicht am weiteren Bewerbungsprozess oder einer eventuellen Zusammenarbeit interessiert ist.
2. Vertrauensbasis nachhaltig zerstört
Man sieht sich bekanntlich immer zweimal im Leben: Wer weiß, ob eine zukünftige Beschäftigung nicht daran scheitern könnte, dass man sich bei einer alten Bewerberrunde in Luft aufgelöst hat. Bei einer erneuten Bewerbung erinnert sich ein:e Recruiter:in höchstwahrscheinlich sehr gut daran, von wem er oder sie bereits geghostet wurde. Die Vertrauensbasis ist da auf jeden Fall nachhaltig zerstört. Eine weitere Chance auf einen Job ist damit vom Tisch.
Und angenommen, der oder die Recruiter:in arbeitet inzwischen bei deiner Traumfirma, dann sind die Aussichten, dort genommen zu werden, auch gleich null, weil man durch ein unbedachtes Ghosting für immer in schlechtem Licht dasteht.
3. Es geht auch aufs eigene Gewissen
Nicht nur für eine:n Recruiter:in und deine potenziellen Kolleg:innen ist Ghosten unangenehm. Im schlimmsten Falle geht es auch auf die eigene Psyche. Wenn man sich mit Freund:innen verabredet und sie (wieder) versetzen muss, sagt man im Normalfall natürlich ab – und fühlt sich trotzdem schlecht dabei. Diese Form der Empathie ist völlig normal und zeigt, dass wir uns für die Menschen, die uns nahestehen, interessieren.
Dieses Gefühl kennen viele aber nicht nur, wenn es um die eigenen Freund:innen oder Familie geht. Auch im beruflichen Umfeld ist es durchaus normal, dass es nicht spurlos an uns vorbeigeht, wenn wir uns aus dem Staub machen, ohne unser Gegenüber – in dem Falle der:die Recruiter:in – zu informieren, warum wir uns plötzlich nicht mehr melden. Für viele verstößt es gegen soziale Normen und gibt uns ein Haufen Schuldgefühle. Auf Dauer kann das sogar krank machen. Und mal ehrlich, da ist es doch wirklich einfacher, mit einer kurzen Nachricht abzusagen!

4. Ist vielleicht was Schlimmes passiert?
Manchmal kann man sich einfach nicht zurückmelden, auch wenn man es noch so gern möchte. Dahinter liegt dann aber keine böse Absicht, sondern die Tatsache, dass man es in diesem Moment einfach nicht kann. Vielleicht hat man sich ganz furchtbar erkältet und hütet das Bett. Vielleicht hatte man einen Unfall und musste ins Krankenhaus oder vielleicht ist sogar noch Schlimmeres passiert. In diesen Fällen ist eine laufende Bewerbung natürlich das Letzte, woran man denkt und das ist auch vollkommen nachvollziehbar. Wir als Recruiter:innen machen uns daher immer auch Sorgen um Kandidat:innen, die nach einem aussichtsreichen ersten Kontakt plötzlich wie vom Erdboden verschluckt scheinen. Wir wissen schließlich nicht, was der Grund für dieses jähe Ghosting ist ...
5. Arbeit, die man sich umsonst gemacht hat
Auch das hat sicherlich jeder und jede schon mal erlebt. Man arbeitet lange an einem Projekt und steckt im Laufe der Zeit eine Menge Mühe und Kraft rein, nur um schlussendlich zu erfahren, dass alles für die Katz’ war – warum auch immer.
Dieses Gefühl kennen wir aus dem Recruitment leider auch nur zu gut– und sehen es gar nicht gern! Wir stecken in jede Bewerbung eine Menge Arbeit: von der Sichtung des Lebenslaufs, über ein erstes Telefonat, die interne Vorauswahl, ein zweites Gespräch zum Kennenlernen bei uns im Office, bis hin zur Anstellung und der Besetzung der freien Stelle. Damit ist eine Menge Organisation, Planung, Zeit und damit natürlich immer auch Geld verbunden. Es ist unglaublich frustrierend, wenn sich sehr gute Kandidat:innen dann plötzlich vom Acker machen, in deren Bewerbung man bis dahin schon viel Mühe investiert hat, nur um dann festzustellen, dass man sich die Arbeit umsonst gemacht hat.
Es gibt sicherlich noch mehr Gründe, die gegen die Unsitte Ghosting sprechen, wir wollen es aber dabei belassen. Es ist überhaupt gar kein Problem, wenn sich im Laufe eines Bewerbungsprozesses herausstellt, dass die angebotene Stelle doch nicht zu einem passt oder man inzwischen ein anderes Angebot annimmt. Meinungen und Lebenswege ändern sich, das ist es ja gerade, was sie so spannend macht. Wenn es dazu kommt, sollte man aber auch so mutig und respektvoll sein, potenzielle Arbeitgeber:innen darüber zu informieren und nicht wie ein Geist einfach wieder zu verschwinden.